Januar 27, 2020

Darum ist der Darm für deine Hormone so wichtig

"Eine Stuhlprobe?" Lisa zog eine Augenbraue hoch und sah mich verwirrt an. Wahrscheinlich dachte sie, ich wäre bedingt durch meine Schwangerschaft etwas durcheinander. Schließlich hatte sie meine Praxis nicht aufgesucht, weil sie unter Durchfall oder Verstopfung litt. Lisa kam in meine Praxis, weil sie einen Kinderwunsch und zugleich einen Zyklus von 50 und mehr Tagen hatte. Keine gute Kombination. Mein Gehirn litt zwar wirklich etwas unter der Schwangerschaft, doch hier war ich mir sehr sicher. "Genau eine Stuhlprobe." antwortete ich und drückte ihr das Proberöhrchen in die Hand. Eine Stuhlprobe liefert Hinweise auf die Darmgesundheit und der Darm spielt eine Schlüsselrolle für deine hormonelle Balance. Warum der Darm so wichtig für deine Hormongesundheit ist, erfuhr Lisa dann im folgenden Gespräch. Und auch dir verrate ich mehr über die "gut hormone connection" in diesem Blogpost.

Der Darm – unterschätztes Organ

Der Darm und alles was dazu gehört, ist in unserer Gesellschaft oft ein Tabuthema. Doch Dick- und Dünndarm gehören meiner Meinung nach zu den Organen, die deutlich unterschätzt werden. Denn dein Darm ist keinesfalls nur ein Rohr, in das du oben was reinwirfst und wo dann unten etwas rauskommt. Das Organ übernimmt verschiedene wichtige Aufgaben und spielt eine entscheidende Rolle für Gesundheit und Wohlbefinden. 

Der Darm, was ist das eigentlich für dein Teil? Er reicht vom Magenausgang bis zum After und ist bis zu 7 Meter lang. Durch die besondere Gestaltung hat er eine Oberfläche von rund 32 Quadratmetern. Das ist besonders wichtig, damit er die Nährstoffe aus der Nahrung gut aufnehmen kann. Er unterteilt sich in Dünndarm, Dickdarm und Enddarm. Dein Darm ist keinesfalls steril. Viele Millionen Bakterien besiedeln insbesondere den Dickdarm. Die Gesamtheit aller Bakterien im Darm bezeichnet man als Mikrobiom oder Darmflora.

Aufgaben des Darm

Der Darm übernimmt verschiedene Funktionen. Die wichtigste Aufgabe ist die Verdauung der Nahrung und die Aufnahme (Resorption) von Nährstoffen. Er dient aber auch der Wasserregulation im Körper. Ebenso ist er wichtiger Teil des Immunsystems. Das sogenannte GALT (gut associated lymphoid tissue) stellt sogar die größte Ansammlung von Immunzellen in unserem Körper dar. Ferner stellt der Darm selbst Hormone und in gewissem Maße auch Vitamine her.

Die Bakterien der Darmflora üben einen entscheidenden Einfluss auf unsere Gesundheit aus. Sie:

  • unterstützen beim Abbau von Kohlenhydraten und Eiweißen
  • bauen Giftstoffe ab
  • produzieren Vitamine
  • regen die Darmbewegungen an
  • schützen vor krankheitsauslösenden Erregern
  • dienen der Immunmodulation

Dein Darm ist kein steriles Rohr. Er ist von Millionen Bakterien besiedelt und übernimmt viele wichtige Aufgaben in deinem Körper.

Gesunder Darm – gesundes Hormonsystem

Aber warum genau ist es nun für deine hormonelle Balance so wichtig, dass dein Darm gesund ist? Zum einen dient der Darm der Nährstoffaufnahme. Wenn dir wichtige Nährstoffe fehlen, leidet die Hormonproduktion darunter. Zum anderen können Erkrankungen des Darms wie beispielsweise das Leaky gut Syndrom verheerende Auswirkungen auf den gesamten Körper haben. Auch die Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO) sowie Nahrungsmittelunverträglichkeiten können die Gesundheit beeinträchtigen. Und wusstest du, dass die Darmschleimhaut mit allen anderen Schleimhäuten im Körper vernetzt ist? Diese Info ist besonders interessant, wenn du beispielsweise unter häufigen Pilzinfektionen oder Blasenentzündungen leidest.

Nährstoffmangel durch Darmstörungen

Die Zerlegung der Nahrung beginnt bereits im Mund und wird dann im Magen fortgesetzt. Im Dünndarm sorgen dann die Dünndarmschleimhaut selbst und die Bauchspeicheldrüse dafür, dass der Verdauungsprozess voranschreitet. Die meisten Nährstoffe werden bereits im Dünndarm resorbiert. Dazu gehören die Makronährstoffe wie Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate. Aber auch Mineralstoffe wie Kalzium, Magnesium, Eisen sowie die fettlöslichen und wasserlöslichen Vitamine finden hier ihren Weg in das Blut. Wird die Nahrung nicht richtig verdaut und werden die Nährstoffe nicht oder nur unzureichend aufgenimmen, spricht man von einer Malassimilation. Gründe dafür gibt es viele. Dazu gehören unter anderem:

  • Schwäche anderer Verdauungsorgane wie Leber oder Bauchspeicheldrüse (z.B. bei Nebennierenschwäche)
  • Schädigung der Darmschleimhaut durch Schadstoffe oder bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten
  • Infekte
  • Schädigung der Darmflora durch Einnahme verschiedener Medikamente (z.B. Antibiotika oder hormonelle Verhütungsmittel)

Ohne Nährstoffe keine Hormone

Wenn deinem Körper wichtige Nährstoffe fehlen, kann er die benötigten Hormone nicht in ausreichender Menge produzieren. So sind beispielsweise Omega-3-Fettsäuren essenziell für die Hormonproduktion. Aber auch zur Regulation deines Hormonhaushalts brauchst du Nährstoffe. Zink spielt zum Beispiel eine Rolle im Testosteronstoffwechsel, Vitamin B6 ist ebenfalls wichtiger Regulator der Geschlechtshormone. Ein Mangel an B6 kann deshalb auch zu verstärkter Symptomatik des prämenstruellen Syndroms (PMS) führen. Hast du einen Magnesiummangel, leidest du vielleicht verstärkt unter Krämpfen während der Menstruation. Damit deine Hormone in Balance sind und du dich so richtig wohl in deinem Körper fühlst, musst du also ausreichend mit Mikro- und Makronährstoffen versorgt sein. Und Nährstoffe erhältst du eben nur, wenn dein Darm in Ordnung ist.

Leaky gut als Ursache deiner Beschwerden?

Leaky gut bedeutet "undichter Darm" oder "löchriger Darm". Doch was ist damit gemeint? Beim Leaky gut Syndrom ist die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut erhöht. Normalerweise sind die Zellen der Darmschleimhaut durch sogenannte tight junctions verbunden. Diese bilden eine natürliche Barriere. Nur winzige Nährstoffe wie beispielsweise Vitamine und Mineralstoffe können diese Barriere passieren und von dem Darm in das Blut gelangen. Lösen sich die Darmzellen zu weit voneinander, ist die Barriere kaputt. Nun können auch größere Substanzen die Darmschleimhaut passieren. Durch die beschädigte Darmschleimhaut gelangen zum Beispiel Bakterien und unverdaute Nahrungsbestandteile in das Blut. Diese Substanzen aktivieren das Immunsystem, wodurch eine Entzündung entsteht. Dadurch vergrößern sich die "Löcher" jedoch nur noch weiter. Ein echter Teufelskreis beginnt.

Beim Leaky gut System ist die Darmschleimhautbarriere nicht mehr intakt

Zu den Ursachen des Leaky gut Syndroms gehören unter anderem:

  • chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
  • ein Ungleichgewicht in der Darmflora (Dysbiose)
  • Giftstoffe wie Nikotin, Alkohol oder Schwermetalle
  • evtl. Zusatzstoffe in der Nahrung
  • Nahrungsmittelallergien
  • Verzehr von Milchprodukten bei Laktoseintoleranz
  • Zöliakie
  • Antibiotikaeinnahme

Auch Menschen, die nicht unter einer Zöliakie leiden, vertragen häufig Weizen oder sämtliche glutenhaltige Getreide nicht gut. Auch ohne die Diagnose Zöliakie kann der Verzehr von glutenhaltigen Nahrungsmitteln zu einer Entzündung im Darm führen. Dieselbe Beobachtung konnte ich in meiner Praxis mit Milchprodukten machen. Auch Menschen ohne Laktoseintoleranz reagieren oft negativ auf Milch und Milchprodukte.

Zwischen der Entstehung verschiedener Erkrankungen und dem Leaky gut Syndrom wird ein Zusammenhang vermutet. Dazu gehören vor allem Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise der Morbus Hashimoto. In der Praxis zeigte sich bei vielen meiner Patientinnen mit Endometriose ebenfalls ein Leaky gut Syndrom. Der löchrige Darm führt ferner zu einer schlechten Nährstoffaufnahme. Dass dies für die Hormonproduktion fatal ist, weißt du ja nun schon.

Bei Verdacht auf ein Leaky gut Syndrom können verschiedene Laborwerte im Stuhl sowie im Blut bestimmt werden. Diese liefern Hinweise auf entzündliche Prozesse im Darm und eine erhöhte Schleimhautdurchlässigkeit. Das ist übrigens auch easy von zuhause aus mit einem Stuhltest möglich.

Wie Darmbakterien deine Hormone beeinflussen

Doch nicht nur der Zustand der Darmwand beeinflusst deine Gesundheit. Auch die Bakterien, die deinen Darm besiedeln, nehmen direkt Einfluss auf deine Hormone. Neuere Studienergebnisse deuten darauf hin, dass das Darmmikrobiom direkt an der Regulierung des Östrogenspiegels im Körper beteiligt ist. Die Mikroben, die an dieser Regulation beteiligt sind, werden auch als Östrobolom bezeichnet. Eine Störung in diesem Bereich kann zu einer Über- oder Unterversorgung mit Östrogen führen. So finden sich im Darm von Frauen mit Endometriose vermehrt Bakterien, die das Enzym ß-Glucuronidase produzieren (vgl. Leonardi et al., .2020) . Infolge kommt es hier zu einem Ungleichgewicht im Hormonsystem. Auch das polyzystische Ovarialsyndrom scheint durch das Mikrobiom beeinflusst zu werden. Bei einer Studie aus dem Jahr 2017 zeigte sich bei Patientinnen mit PCOSeine geringere Diversität des Mikrobioms im Vergleich zu gesunden Frauen. Die Folge sind erhöhte Androgen- und verringerte Östrogenspiegel.

Eine Fehlbesiedlung des Darms wirkt sich nicht nur negativ auf die Verdauung auf. Auch der Hormonspiegel im Körper wird direkt durch die Bewohner des Darms beeinflusst.

Ist mein Darm gesund?

Woran erkennst du aber nun, ob dein Darm wirklich in Ordnung ist? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Folgende Symptome können ein Hinweis auf eine Dysbiose / Erkrankung des Darms sein:

  • Durchfall
  • Verstopfung
  • Wechselstuhl (mal Durchfall und mal Verstopfung)
  • Blähungen
  • Blähbauch
  • Unwohlsein nach dem Essen
  • Bauchschmerzen

Diese Beschwerden würde wohl jeder recht eindeutig dem Verdauungstrakt zuordnen. Wenn du unter einem oder mehrerer dieser Symptome leidest, spricht das für eine Darmstörung. Doch eine Störung der Darmflora oder Entzündungen im Darm können auch sehr untypische Symptome verursachen. Dazu gehören zum Beispiel Kopfschmerzen, Müdigkeit und eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Ob deine Darmflora in Ordnung ist oder ob Entzündungen im Darm zu finden sind, lässt sich am besten anhand einer Stuhlprobe herausfinden. So sparst du dir auch teure Probiotika, wenn diese vielleicht gar nicht nötig sind. Einen solchen Stuhltest kannst du ganz einfach zuhause durchführen. Die Auswertung solltest du allerdings jemandem überlassen, der sich mit der Thematik gut auskennt.

So förderst du deine Darmgesundheit

Du weißt jetzt, warum die Darmgesundheit so wichtig ist, für ein ausgeglichenes Hormonsystem. Jetzt möchte ich dir gerne noch einige Tipps zu diesem Thema an die Hand geben. Der größte Einflussfaktor ist sicherlich die Ernährung. 

Die richtige Ernährung für einen gesunden Darm

Top

  • Ballaststoffe
  • fermentierte Lebensmittel (z.B. Sauerkraut, Kombucha oder Tempeh)
  • tgl mehrmals frisches Gemüse
  • Bio, regional und saisonal

Flop

  • industriell verarbeitete Nahrungsmittel mit vielen Zusatzstoffen
  • Zucker und zuckerhaltige Nahrungsmittel
  • häufig Weizen und z.T. auch glutenhaltige Getreide
  • zu viel tierisches Eiweiß

Das Wichtigste auf einen Blick

Damit deine Hormone im Gleichgewicht sind, ist ein gesunder Darm unerlässlich. Erkrankungen des Darms oder Störungen der Darmflora können die Hormonbalance stören. Mithilfe eines Stuhltests, kannst du mehr über den Zustand deines Darms erfahren. Um den Darm und damit auch dein Hormonsystem fit zu halten, ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Obst besonders wichtig.


Hast du dich schon einmal näher mit deinem Darm beschäftigt? Oder hast du vielleicht sogar Erfahrungen mit einer Darmsanierung? Lass mir gerne einen Kommentar da.

Über die Autorin dieses Artikels

Katrin Schumann

Katrin Schumann ist Heilpraktikerin und Expertin für Frauengesundheit. Sie unterstützt Frauen dabei, ihren eigenen Weg zu mehr Weiblichkeit, Gesundheit und Wohlbefinden zu gehen. Dabei zeigt sie Alternativen zur Pille als Patentlösung auf. Ihr Anliegen ist es, Frauen Wissen über ihren Körper zu vermitteln, damit sie freie und eigenständige Entscheidungen treffen können. Mehr über Katrin Schumann erfahren

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  1. Hallo Katrin,

    es ist ein Superartikel! Dass unser Bauch mehr als nur ein Rohr ist, wird hier mehr als deutlich. Ich habe eine Frage, die mich damit einhergehend beschäftigt: was ist mit Östrogenstörung mit kleinen Mädchen?
    Meine Maus hat mit 6 Monaten Labiensynechie diagnostiziert bekommen. Unsere Topärztin meint, es liegt an natürlichen Hormonschwankungen bei Babies. Sie können ja und brauchen auch nicht so viel Östrogen zu produzieren.

    Uns wurde eine Hormonsalbe für erwachsene Frauen verschrieben (Standardprozedere), die ich wochenlang applizieren muss. Nun, Toplösung ist es aber natürlich nicht. Als der Scheideneingang sich öffnete, wechselte ich schnell zu Kokosöl und trage diesen täglich auf. Trotzdem hilft es nicht zu 100 Prozent. Es gab schon wieder Verklebungsstellen, wenn auch minimale. Die Ärztin meinte, man kann da nichts machen.

    Was sagst du dazu? Hast du bereits bei deinen Patientinnen kleine Mädchen behandelt? Welche Analysen könnte ich bei meiner Ärztin erbitten?

    Vielen lieben Dank!

    Viele Grüße aus Karlsruhe!

    1. Hey du Liebe,

      tatsächlich kommt das ja bei kleinen Mädchen häufiger vor. Es gibt durchaus alternative Behandlungsmöglichkeiten. Schreib mir gerne eine Mail dazu.

      Liebe Grüße
      Katrin

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