Dezember 16, 2020

Libidoverlust bei der Frau

"Wenn das so weitergeht, wird meine Ehe das nicht überstehen". Julia schluchzte laut. Julia war 27 Jahre, meine Patientin und erst 7 Wochen verheiratet. Warum sollte also ihre Ehe kurz vor dem Aus stehen? Meine Patientin hatte keine Lust mehr auf Sex. Schon seit vielen Monaten empfand sie nur noch sehr selten ein sexuelles Verlangen. Liebt sie mich überhaupt noch? Findet sie mich nicht mehr attraktiv oder hat sie vielleicht sogar einen anderen? Diese Fragen standen immer häufiger im Raum. Und mit ihnen auch das schlechte Gewissen. 30 Prozent aller Frauen haben zumindest phasenweise weniger Lust auf Sex. Doch was kann hinter Libidoverlust bei der Frau stecken? Und wie kann man die weibliche Libido anregen?

Libidoverlust? Eine Defininitionssache

Was ist denn eigentlich ein Libidoverlust? Ganz technisch ausgedrückt: ein verminderter Geschlechtstrieb und eine daraus resultierende verminderte sexuelle Aktivität. Libidoverlust ist aber eine sehr individuelle Sache. Vielleicht hattest du früher jeden Tag Lust auf Sex und nun nur noch einmal in der Woche? Libidoverlust! Du hattest vorher schon wenig Lust auf Sex und erträgst jetzt kaum noch intime Berührungen? Genauso Libidoverlust!

Ebenso individuell wie die Definition ist auch der Handlungsbedarf. Eine verminderte Libido ist nicht per se behandlungsbedürftig. Wenn du unter der fehlenden sexuellen Lust nicht leidest, gibt es gar keinen Grund zu handeln. Ist eine erfüllte Sexualität für dich und/ oder deine Partnerschaft aber wichtig, hast du jedes Recht der Welt, etwas gegen die Unlust tun zu wollen.

Natürlich gibt es zahlreiche Libido steigernde Medikamente. Doch nachhaltiger ist immer der Sache tiefer auf den Grund zu gehen. Warum ist deine Lust verschwunden? Wenn du das weißt, dann kannst du deine Libido auch wiederfinden.

Die häufigsten Ursachen für Libidoverlust

Die Ursachen für eine verminderte Libido sind vielseitig. Häufig ist die sexuelle Unlust hormonell bedingt. Schauen wir uns die häufigsten Ursachen mal genauer an.

Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion produziert die Schilddrüse zu wenig Schilddrüsenhormone. Dadurch kommt es zu einer verringerten Stoffwechselleistung. Die Schilddrüsenunterfunktion gehört zu den häufigsten Hormonstörungen der Frau. Neben Gewichtszunahme, Haarausfall und schnellem Frieren ist auch Libidoverlust ein typisches Symptom einer Schilddrüsenunterfunktion. Wenn diese Symptome auf dich zutreffen, solltest du deine Schilddrüse mal bei einem Hormonfacharzt (Endokrinologen) checken lassen.

Stress

Tatsächlich spielt Stress eine immens große Rolle für unsere Libido. Wenn du eine hohe Stressbelastung hast, schüttet dein Körper vermehrt Stresshormone wie Cortisol oder Adrenalin aus. Bleibt der Stress über einen längeren Zeitraum bestehen, streikt die Nebenniere als Hormonproduzent irgendwann und die Hormonproduktion fällt ab. Sowohl ein zu niedriger als auch ein zu hoher Cortisolspiegel können die Libido beeinträchtigen. Deshalb ist Libidoverlust ein sehr häufiges Symptom einer Nebennierenschwäche.

Östrogendominanz

In meiner Praxis ist die Östrogendominanz neben der Einnahme der Pille die mit Abstand häufigste Ursache für Libidoverlust bei Frauen. Bei einer Östrogendominanz stimmt das Verhältnis der Hormone Östrogen und Progesteron im Körper nicht. Dadurch kommt es neben Libidoverlust auch zu PMS-Beschwerden wie Heißhunger, Stimmungsschwankungen oder Wassereinlagerungen. Eine Östrogendominanz kann sowohl durch einen Überschuss an Östrogen als auch durch einen Progesteronmangel hervorgerufen werden.

Libidoverlust durch die Pille

Die Pille kann ein echter Lustkiller sein. Meine These ist ja, dass sie deswegen auch so gut als Verhütungsmittel wirkt. Wer keinen Sex mehr hat, kann schließlich auch nicht schwanger werden ;). Aber Scherz beiseite, wenn du die Pille nimmst, schau doch mal in deinen Beipackzettel. Libidoverlust gehört dort bei fast jedem Präparat zu den erwähnten Nebenwirkungen. Mitverantwortlich dafür sind wohl erhöhte Spiegel des Sexualhormon-bindendenden-Globulins (SHBG). Je mehr SHBG vorhanden ist, desto mehr Testosteron ist gebunden. Ein Mangel an Testosteron kann zu einer verminderten Libido führen. Die meisten Frauen haben rund um den Eisprung am meisten Lust auf Sex. Die meisten Pillen unterdrücken den Eisprung, auch ein Grund, warum die Pille zum Libidoverlust führen kann.

Libidoverlust bei Erkrankungen

Es gibt verschiedene Erkrankungen, die mit Libidoverlust einhergehen. Dazu gehören unter anderem:

  • Herzschwäche oder Bluthochdruck
  • Multiple Sklerose
  • Schlaganfall
  • Diabetes mellitus
  • Leberzirrhose
  • Nierenerkrankungen wie die Niereninsuffizienz
  • Depressionen

Medikamente vermindern die Libido

  • Antidepressiva (z.B. SSRI oder SNRI) 
  • Blutdrucksenker wie ACE-Hemmer
  • Neuroleptika oder Benzodiazepine

Was tun bei Libidoverlust?

Um Libidoverlust nachhaltig zu behandeln, musst du die möglichen Ursachen kennen. Gehe also auf Ursachensuche. Am Anfang sollte ein Besuch bei einem Hormonspezialisten stehen, der deine Schilddrüse checkt. Auch ein Besuch beim Heilpraktiker kann Sinn machen, um die Ursachen für deinen Lustverlust zu finden. 

Auskunft über deine hormonelle Situation liefert ein Hormonspeicheltest. Du kannst einen solchen Test einfach mit einem Testkit zuhause durchführen und bekommst Auskunft über deinen Hormonhaushalt. Liegt eine Östrogendominanz vor oder ist vielleicht ein Testosteronmangel verantwortlich für deinen Libidoverlust?

Je nach hormonellem Ungleichgewicht unterscheidet sich dann auch die Behandlung. Damit du aber schon direkt loslegen kannst, folgen jetzt 5 Tipps, um deine Libido anzuregen.

Weibliche Libido anregen – 5 Tipps

B-Vitamine zuführen

B-Vitamine, insbesondere Vitamin B6, spielen eine wichtige Rolle für die Hormonregulierung. Vor allem in stressigen Zeiten verbrauchen wir immens viele B-Vitamine. Vielleicht auch ein Grund, warum bei Stress die Lust auf Sex oft verschwindet. Achte deshalb auf eine gute Versorgung mit B-Vitaminen. Reich an Vitamin B6 sind zum Beispiel Fisch und Krustentiere, Walnüsse und Sesam. Bei einer Nahrungsergänzung würde ich auf einen B-Komplex zurückgreifen und nicht einzeln substituieren. B-Vitamine ergänzen sich in ihrer Wirkung, sodass ein B-Komplex hier synergistisch wirken kann.

Mit ätherischen Ölen arbeiten

Völlig zu Unrecht standen ätherische Öle lange in der Esoterikecke. Qualitativ hochwertige Aromaöle haben einen ordentlichen Wirkwumms. Bei Libidoverlust eignen sich vor allem sinnlich duftende Öle wie beispielsweise YlangYlang. Rose ist hingegen das Frauenöl schlechthin und unterstützt deine Weiblichkeit. Sandelholz kann die emotionale Offenheit fördern und schwarzer Pfeffer durchwärmt und kann sexuell anregend wirken. Du kannst diese Öle mit dem Diffusor verdampfen und so den Raum beduften. Oder du stellst dir dein eigenes Massageöl her. Das eignet sich dann auch super für anregende Massagen mit dem Partner. Du kennst dich mit ätherischen Ölen noch nicht so gut aus? In diesem Blogartikel habe ich dir die wichtigsten Basics zusammengefasst.

Sexverbot

Klingt vielleicht erstmal blöd, schließlich möchtest du ja wieder mehr Lust auf Sex haben. Aber so ein Sexverbot kann Druck nehmen. Bei Libidoverlust entwickelt sich oft ein Mechanismus, der auf Dauer der Beziehung sehr schaden kann. Bei jedem Kuss oder jeder Berührung des Partners entsteht dann der Gedanke: "Oh nein, ich glaube das läuft auf Sex hinaus. Aber dann muss ich wieder sagen, dass ich ja eigentlich keinen will. Dann stoppe ich lieber gleich." Infolge werden selbst kleine Berührungen des Partners abgewehrt. Dieser fühlt sich dann verständlicherweise abgelehnt und du selbst vermisst vielleicht sogar das Küssen, weil du es ja eigentlich magst. Diese Spirale kann ein Sexverbot brechen. Aber was heißt eigentlich Sexverbot? Ganz einfach: Für 4 Wochen ist alles erlaubt außer Geschlechtsverkehr. Ihr dürft euch küssen und streicheln. Massieren oder was immer euch einfällt, aber Geschlechtsverkehr ist ausgeschlossen. Die genauen Grenzen könnt ihr natürlich gerne selber festlegen.

Maca und Damiana als natürliche Aphrodisiaka

Die Macawurzel wird in der Andenregion schon seit vielen Jahrhunderten als natürliches Aphrodisiakum genutzt. Maca ist reich an Antioxidantien, essenziellen Aminosäuren und Omega-3-Fettsäuren. Ebenso sind verschiedene Vitamine, Mineralstoffe und Sterole enthalten. Diese Sterole können die Durchblutung im Beckenbereich anregen und ähneln zudem dem männlichen Testosteron. Maca macht also vor allem Sinn, wenn ein Testosteronmangel Ursache der verminderten Libido ist.

Auch die Blätter der Damiana-Pflanze gehören zu den natürlichen Libidoboostern. Damiana wirkt als Aromatasehemmer, verhindert also die Umwandlung von Testosteron in Östrogen. Damit bleibt mehr Testosteron für die Lust übrig. Laut dem Ethnopharmakologen Christian Rätsch fördert Damiana zudem die Durchblutung des Unterleibs und wirkt krampflösend (auch auf hemmende Gedanken). Du kannst Damiana als Extrakt aber auch als Tee zu dir nehmen.

Bei beiden natürlichen Aphrodisiaka entfaltet sich die Wirkung vor allem bei regelmäßiger Einnahme über einige Wochen. Ein bisschen Geduld musst du bei dieser sanften hormonellen Stimulierung also mitbringen.

Dunkle Schokolade

Das klingt fast zu gut oder? Dunkle Schokolade essen als Behandlung bei Libidoverlust? Tatsächlich gibt es aber mehrere Studien, die die lustfördernde Wirkung der Schokolade bestätigen. Warum ist das so? Dunkle Schokolade enthält das Alkaloid Theobromin, die Aminosäure Arginin und verschiedene Antioxidantien. In ihrer Gesamtheit regen diese Inhaltsstoffe die Lust an. Aber Vorsicht: Das gilt nur für Schokolade mit einem Kakaogehalt von mindestens 70 Prozent.

Ein paar Worte zum Abschluss:

Die wichtigsten Aspekte im Umgang mit Libidoverlust sind Offenheit und Verständnis. Rede mit dem Partner offen über deine Empfindungen und gestehe ihm dasselbe zu. Die Situation ist für beide Seiten nicht einfach und erfordert einfach einen gewissen Einsatz. Trau dich auch über deine Bedürfnisse zu sprechen, damit ihr beide das Sexleben führen könnt, das ihr euch wünscht.

Das Wichtigste auf einen Blick

Libidoverlust kann verschiedene Ursachen haben. Häufig verbirgt sich hinter der verminderten Lust auf Sex ein hormonelles Ungleichgewicht. Zu den häufigsten Ursachen gehören Schilddrüsenfunktionsstörungen sowie die Östrogendominanz. Neben der Behandlung der Ursache können natürliche Aphrodisiaka sowie eine nährstoffreiche Ernährung die Libido verbessern.

Über die Autorin dieses Artikels

Katrin Schumann

Katrin Schumann ist Heilpraktikerin und Expertin für Frauengesundheit. Sie unterstützt Frauen dabei, ihren eigenen Weg zu mehr Weiblichkeit, Gesundheit und Wohlbefinden zu gehen. Dabei zeigt sie Alternativen zur Pille als Patentlösung auf. Ihr Anliegen ist es, Frauen Wissen über ihren Körper zu vermitteln, damit sie freie und eigenständige Entscheidungen treffen können. Mehr über Katrin Schumann erfahren

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